Ich hatte noch nie Angst in der Natur. Kein Abgrund ist mir zu tief, kein Sprung zu weit, kein Weg zu steil für mich. Unbeschwert lasse ich beim Wandern den Tag auf mich zu kommen, schaue nur links und rechts, um Blumen am Wegrand zu betrachten, und gehe meinen Rhythmus. Doch der Text der NZZ-Journalistin Nadine A. Brügger von vergangener Woche lässt mich meine Einstellung hinterfragen.
In eindrücklichen Worten schildert sie eine Wanderung, die zum Albtraum wurde. Schuld ist kein Schlechtwetterumschwung, kein gebrochener Fuss oder wütendes Wildschwein – Brügger wurde auf ihrer Wanderung von einem Unbekannten verfolgt. Die ganze Geschichte lest ihr am besten selbst (https://www.nzz.ch/feuilleton/das-spiel-heisst-mach-ihr-angst-ld.1668561). Was Brügger erzählt, lies auch mir das Blut in den Adern gefrieren. Werde ich im Ausgang oder auf der Strasse dumm angemacht, bin ich die Erste, welche die Worte findet, um für mich einzustehen. Auch wenn ich finde, keine Frau sollte diesen Skill beherrschen müssen, weiss ich mich zu verteidigen. Starrt mich ein Mann in einem Café an, starre ich zurück, bis er sich beschämt abwendet. Lieber einmal zu viel als zu wenig greife ich ein, wenn ich sehe, dass sich eine andere Frau in einer unangenehmen Situation befindet. Ich zeige keine Angst, denn wer Angst hat, macht sich zu leichter Beute. In meinem Alltag kämpfe ich um das Gleichgewicht zwischen starker und emanzipierter Frau, empathischer Kollegin und ein liebenswertem Mädchen. In den Bergen will ich einfach ich sein. Auf mein Innen fokussiert Schritt für Schritt den Berg hinauf gehen. Vielleicht sollte ich jedoch nach dieser Geschichte wachsamer sein. Rücksicht nehmen, dass es in der Männerwelt verquere Exemplare gibt, denen es Spass bereitet, Frauen Angst einzujagen. Weniger naiv sein und akzeptieren, dass der Mensch es schafft, selbst die unberührtesten Orte zu verderben. Vielleicht sollte ich darauf verzichten, allein auf Touren zu gehen, am besten immer einen männlichen Beschützer dabei haben. Vielleicht sollte ich all das, aber ich will keine Angst haben. Nicht vor dem streunenden Wolf. Doch damit das geht muss ich vorbereitet sein, immer das geladene Handy in Griffweite, keine Kopfhörer auf den Ohren, die Freunde, die wissen, wo ich gerade unterwegs bin. Das ist also der Preis für meine letzte Freiheit. Aber ich habe keine Angst. Denn die Angst macht mich zur leichten Beute für den einsamen Wolf.
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sag mir ist das fair.
jedes weitere bier überleg ich mir, denn ich check nicht mehr was vorgeht in dir, denn mit jedem schluck verlier ich die kontrolle mehr, und wenn du was mit mir machst, leist ich keine gegenwehr. ich zieh den rock nach unten, aus angst belästigt zu werden, nachts liegt mein selbstbewusstsein in scherben, du rennst in kurzen shorts und oberkörperfrei unbedacht, ohne sorgen, denn du wirst nicht blöd angemacht. im club lächel ich dumme sprüche weg, stumm vor schreck, weiss nicht wie ich darauf reagieren soll, dass ich gar nicht erst müsste das hätt ich gewollt. willst du mich nicht respektier ich das, gehe einfach weiter und frage nicht nach warum, aber für dich ist ein nein nur ein freipass, hast das gefühl wenn du mich bedrängst stimmst du mich um. ich nach dem ausgang nach hause, du sturzbetrunken auf dem weg von der sause, ich straight walking, augen und ohren warten auf gefahren, du musik auf den ohren auf dem velo heim gefahren. sag mir ist das fair. Dieser Text soll keinesfalls eine Anklage gegen alle Männer sein. Im Gegenteil bin ich froh um jeden und jede, die den Ausgang für uns Frauen ein Stück angenehmer macht und eingreift, wenn etwas nicht stimmen sollte. Danke euch! Leila saß auf der Terrasse und rückte das weiße Tischtuch zurecht, bis es parallel zur Kante des Gartentischchens war. Der gehäkelte Stoff war an manchen Stellen ausgefranst, die Maschen lösten sich, das Weiß des Stoffes von Pollen gelblich verfärbt, Hinter den Dächern ging die Morgensonne auf, und die Kirchenglocken läuteten zur Sonntagsmesse. Mit zittrigen Händen umfasste sie eine Tasse Kaffee. Sie hoffte, das Koffein würde bald wirken, denn sie hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Sie konnte Emilios Schweigen nicht mehr ertragen. Selbst in der Nacht, als er neben ihr lag und sie ihm »Gute Nacht« wünschte, lag er nur stumm da. Leila griff zu der Schaufel, die an die blaue Hollywoodschaukel angelehnt war.
Sie stand auf und begann, Erde in einen Topf zu schütten. Dann legte sie einige 'Tulpenzwiebeln in die trockene Erde. Sie dachte daran, wie Emilio ihr früher von jeder Konzertreise Tulpen mitgebracht hatte. Von Weitem das Brummen und Rauschen und Dröhnen der Großstadt. Durch das Fenster zum Wohnzimmer waren gedämpft Tangomelodien zu hören. Sie klangen unangenehm in Leilas Ohren. Emilios Silhouette war hinter den gemusterten Vorhängen zu sehen. Leila drehte sich nicht um, und sie musste an den vergangenen Abend denken. Sie hatte für ihn sein Lieblingsessen gekocht: Lamm mit einer Rosmarinmarinade. In ihren ersten gemeinsamen Ferien in der Provence hatten sie es fast jeden Abend gegessen. Drei Stunden war sie dafür nach Feierabend in der Küche gestanden. Erst die Marinade zubereiten, dann das Lamm im Topf schmoren. Das Lamm stand schon längst auf dem Tisch, als Emilio nach Hause kam. Leila meinte: »Du kommst spät. Ich dachte, wenigstens an unserem Hochzeitstag kannst du pünktlich sein.« »Ach so, stimmt, der ist ja heute«, murmelte er. »Ich habe dir das Lamm zugedeckt, ich hoffe, es ist noch warm.« »Gut. Gib mir bitte einen Moment, ich muss noch kurz was erledigen. Du brauchst nicht auf mich zu warten mit dem Essen.« Er verschwand im Nebenraum und holte ein paar Notenblätter. Dann ging er zurück ins Wohnzimmer, nahm sein Cello aus dem Koffer und begann zu spielen. Leila setzte sich an den Tisch und rückte die Gläser und das Besteck zurecht. Aus den Augenwinkeln betrachtete sie Emilio. Gebückt über seine Noten, schien er ganz eingenommen zu sein von den Tönen und Takten und Sätzen des Stückes. Plötzlich hörte er auf zu spielen: »Du erinnerst mich an mein Cello. Deine Stimme ist so dunkel wie der Klang des Cellos. Wenn du launisch bist, erinnerst du mich an die Saiten, wenn sie verstimmt sind.« Sie lächelte, und nach einer Weile sagte sie: »Weißt du, manchmal denke ich mir, wieso du mich noch brauchst, wenn du ja dein Cello hast.« Emilio spürte Leilas fragenden Blick auf sich ruhen. Er stand auf, setzte sich zu Leila an den Tisch und schöpfte sich vom Essen auf seinen Teller. Als sie so dasaßen, sagte Leila: »Weißt du, woran ich oft denken muss.« Er schluckte den letzten Bissen hinunter und rutschte unbehaglich nach hinten auf dem Stuhl. »An den Blick in deinen Augen, als wir uns kennengelernt haben. Diese Leidenschaft, die ich auf der Bühne gesehen habe, wenn du mich angeschaut hast. Das war schön, weißt du. Ich habe mich dann immer als etwas Besonderes gefühlt.« Sie nahmen schweigend Schlucke aus ihren Weingläsern, Merlot aus Südfrankreich. Sie konnte sich noch genau erinnern, wie sie ihm diesen Wein aufgetischt hatte, als er sie zum ersten Mal besucht hatte. Doch in seinen Augen konnte sie nichts von der Leidenschaft sehen. Er setzte sich schließlich aufs Sofa und begann, in seinen Partituren zu blättern. Als sie das Geschirr zusammenstellte, meinte sie: »Ich hätte mich gefreut, wenn du dich für das Abendessen bedankt hättest.« »Danke, war echt lecker«, meinte er und vertiefte sich wieder in seine Noten. Klappernd wusch sie das Geschirr ab. Dann legte sie sich ins Bett und wartete auf ihn. Leila erinnerte sich an sein letztes Konzert, das sie besucht hatte. Es war lange her. Seine Blicke wie im Fieber, wenn er auf der Bühne spielte. In rasendem Tempo glitten seine Finger über das Griffbrett, und mit kraft vollen Stößen erzeugte er Töne mit seinem Bogen. Doch seit Langem blieb sie stumm. Leila saß im Schatten eines Kirschenbaums. Die Sonne stand noch tief und blendete sie direkt ins Gesicht. Blütenblätter lösten sich und verfingen sich in ihrem Haar. Sie presste ihre Finger gegen ihre Stirn. Das Aspirin hatte noch nicht gewirkt. Die Melodie im Hintergrund verstärkte das Hämmern in ihrem Kopf. Sie ließ den Blick über den Garten schweifen. Sie roch die Blütenblätter des Kirschenbaums, und der Wind strich ihr um die nackten Beine. Regen lag in der Luft. Leila fror, zog ihre Beine zu sich und umschlang sie mit beiden Armen. Sie bemerkte die Laufmasche an ihren Strumpf, die sie unter ihrem gelben Kleid trug, Die Ärmel waren ihr zu lang, und der Stoff hing locker über ihre Brüste. Sie schrieb auf einen Zettel »Denk daran, die Tulpen jeden Tag zu gießen.« Vorsichtig legte sie den Zettel unter den Blumentopf. Die Tangomelodie war im Hintergrund immer noch zu hören. Die Rollen des großen Koffers klapperten auf den Pflastersteinen, als sie auf die Straße trat. Und die Tulpen begannen sich aus ihren Zwiebeln zu schälen. Es gibt Freunde, die sind wie Frischbackbrötchen. Jeder hat sie zur Hand, irgendwo in einem Ecken des Tiefkühlers zwischen Fischstäbchen und Glacetorte fristen sie ihr Dasein. Irgendwann hat man sie einmal im Supermarkt mitgenommen, weil sie gerade in Aktion waren. Für alle Fälle, heutzutage ist ja nichts mehr sicher, wie die alten Menschen auf dem Bus pflegen zu sagen. Und dann kommt der Tag, an dem man sie braucht. Zum Beispiel Tage, an denen man verkatert aufwacht und bemerkt, dass man nichts anderes mehr zur Hand hat. Mit einem Seufzen greift man tief in den Kühler und weiss eigentlich schon, wenn man die Packung aufreisst und die harten Brötchen überzogen mit Eistau herauszieht, dass dies nichts werden wird. Nur etwas aufwärmen, dann geht das schon. Mit ein bisschen Bier begiessen vielleicht. Dann wird das schon werden, denkt man sich.
Nur der erste Duft der Erinnerung mag darüber hinwegtäuschen, was hätte sein können. Vielleicht nimmt man einen ersten Bissen, ja findet vielleicht sogar Gefallen daran. Beim zweiten klingt schon der fade Beigeschmack der Plastiktüte mit und spätestens beim Dritten legt man es auf die Seite. Ich werd es später essen, sag ich mir dann. Aber ich weiss, dass sich nur schon der Gedanke daran verkehrt anfühlt. Und trotzdem werde ich wieder zulangen, wenn die Brötchen wieder in Aktion sind, man weiss ja nie, was auf einem zukommen mag. Frischbackbrötchen kauft niemand zum Genuss. Sie sind da, wenn man sie braucht. Ja bestenfalls stillen sie sogar für einige Stunden den Hunger, sorgen für ein kurzzeitig ruhiges Gefühl in der Magengegend. Aber schon wenige Stunden später macht sich wieder ein leeres Gefühl breit. Vielleicht habt ihr es schon bemerkt. Ich mag keine Frischbackbrötchen. Ich will mehr Sauerteigfreundschaften. Jeder der schon einmal ein Sauerteiggebrot gebacken hat, weiss wovon ich rede. Er braucht viel Geduld und Zuwendung. Und sollte einmal etwas schief gehen, ist man nicht direkt bereit aufzugeben, denn man hat ja schon so viel Energie investiert. Es braucht keinen fancy Aufstrich, denn es ist sich selbst schon genug. Ein Sauerteigbrot macht satt und zufrieden. Ich nehm bitte noch ein Stück. 1. Es ist viel interessanter, sich den Hobbys und Leidenschaften zu widmen, die vielleicht nur ich cool finde. Was die anderen auch machen und können ist nur halb so spannend. Vor ein paar Jahren hat man mich noch ausgelacht, weil ich lieber las, als auf Bäume kletterte. Heute bin ich froh darum, denn nur durch das viele Lesen, fällt es mir heute leicht, so schnell Texte zu schreiben. Also wenn dein Hobby Sticken, Trampolinspringen oder Vögel beobachten ist - sei stolz auf deine individuellen Fähigkeiten und lass dich nicht davon beindrucken, was andere davon denken.
2. Geld für Dinge auszugeben, lohnt sich selten. Klar benötigt man gewisse Dinge, aber die meisten Sachen wie dieses fancy Notizbuch, diese trendige Cakepopform oder die teure dritte Sonnenbrille verlieren schon kurz nach dem Kauf an Wert. Wofür es sich immer lohnt, Geld auszugeben, sind Erlebnisse. Ob mit Freunden, Familie oder auch alleine - die Erinnerungen sind bleibend. Oder erinnerst du dich an Ferien, für die du bereut hast, dein Geld ausgegeben zu haben? 3. Unser Körper ist es wert, dass wir auf ihn hören. Was ich erst durch den Biologieunterricht mitbekam und noch viel länger brauchte, um es vollständig zu realisieren: Unser Körper leistet tagtäglich Wunder! Es ist nicht immer leicht auf seine Signale zu hören, aber es lohnt sich auf jeden Fall. Sorry für das Juvenalzitat (ich schwöre es ist das letzte lateinische Zitat in diesem Text) aber schon der alte Römer wusste es: "mens sana in corpore sano" (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper). Unser körperliches Wohlbefinden trägt so viel zu unserem Glück bei, also hört auf euren eigenen Körper und lasst euch nicht von anderen einreden, was er braucht. 4. Mit etwas mehr Zivilcourage, Hilfsbereitschaft und Dankbarkeit wäre die Welt viel schöner. Die kleinen Nettigkeiten im Alltag, wie ein freundlicher Busfahrer oder ein hilfsbereiter Nachbar können so viel ausmachen! Oder wie ich als Digital Native sagen würde: #mademyday. 5. Freunde, die du wirklich in deinem Leben brauchst, musst du nicht hinterher rennen. Sie melden sich bei dir, so wie du dich bei ihnen immer wieder melden solltest. Freundschaften, die nur nehmen und nichts geben, saugen nur wertvolle Energie weg. Ich konzentriere mich lieber auf Menschen, die mir gut tun. Menschen, die nicht nur in guten sondern auch in schlechten Zeiten für mich da sind (klingt zwar wie ein blöder Kalenderspruch, hat sich aber schon zu oft bewahrheitet). 6. Auch wenn ich gerne wieder selbst darauf zurückfalle - Zeit auf Social Media Plattformen wie Youtube, Instagram und Co. ist verschwendete Zeit. Oder weisst du noch, welche Videos du gestern angesehen hast oder welche Beiträge in deinem Feed aufgetaucht sind? 7. Definiere selbst, was für eine Frau / was für ein Mann du sein möchtest. In unserer Gesellschaft gibt es so viele Bilder davon, wie sich das eine oder andere Geschlecht zu verhalten hat. Auch bin ich kein grosser Fan von pathetischen Sprüchen wie: "Alle Menschen sind gleich, egal welches Geschlechtes." Männer und Frauen dürfen gerne anders sein, aber wie dieses anders aussieht, muss jeder für sich selbst herausfinden. Auch für mich ist es immer noch eine der grössten Herausforderungen, mein ganz persönliches Frauenbild zu formen und ich bin sicher es ist ein lebenslanger Prozess. 8. Tiere sind die besseren Menschen. Fernab von hässlichen menschlichen Gefühlen wie Neid, Rachesucht und Gier sind sie ganz sensible Wesen. Schon beim Reiten merkte ich, wie das Pferd meine Gedanken aktiv spiegelte - ob nun im Positiven oder im Negativen. Und der Zwerghamster meiner Schwester bemerkt ganz genau, wenn es ihr schlecht geht und kommt aus seinem Nest heraus, um sie aufzumuntern. Auch wenn ich nach einigen Jahren Vegetarismus nicht mehr ganz so fatalistisch im Denken bin, ist mir eines noch mehr klar geworden: Alle Tiere haben eine grosse Würde verdient, vielleicht sogar mehr als wir Menschen. Wir müssen diese sensiblen Wesen um jeden Preis schützen, die Gaben, die sie uns geben, schätzen und achtsam mit ihren Lebensräumen umgehen. 9. Auch Menschen, die von aussen glücklich scheinen, können tieftraurig sein. Heute ist es nicht mehr so angesagt, Misserfolge zu erleben, etwas nicht zu können oder einfach ohne Grund schlecht gelaunt zu sein. Darum bekunden viele, inklusive mir, Mühe ihre wahren Gefühle nach aussen zu zeigen. Es ist oft nicht alles so perfekt wie es scheint. Ich musste lernen zuzuhören, hinter die Fassaden der perfekten Bilder zu blicken und einfach empathisch für andere da zu sein. 10. Mein Körper ist so schön, wie er ist. Auch wenn ich immer noch daran arbeite, diesen Punkt ganz zu realisieren, so muss ich doch eines hier festhalten - wenn ich eines gelernt habe, ist es, dass die Menschen, die zu dir gehören, dich akzeptieren wie du bist. Am wichtigsten ist es sich selbst in seinem Körper wohlzufühlen und ihm Sorge zu tragen (siehe Punkt 3). Meine Freunde schätzen mich für meinen Charakter nicht meine Kleidergrösse. Und auch das Sprichwort "jeder Topf findet einmal seinen Deckel" hat für mich etwas absolut Wahres. Wenn ich einmal den Richtigen finden werde, wird er mich so schön finden wie ich bin, sonst ist es nicht der Richtige. Aber wie gesagt, an diesem Punkt arbeite ich noch. Es kommt mir immer surrealer vor. Dieser Griff zum verdrahteten Metall. Dieses so allmächtig gewordene Ding aus Kathoden und anderen elektronischen Wunderdingen. Wie eine dritte Hand oder ein weiteres Bein bist du immer dabei. Der Griff zum Knochen automatisiert und der Umgang damit total routiniert. Audiosignale lenken sogar im spannenden Gespräche vertieft alle Sinne auf dich, du Schurke der modernen Zeit. Gleich dem instinktiven Verlangen nach dem nährenden mütterlichen Busen, bedienen heute schon kleine Kinder dich, allmächtiges Medium, wie programmiert.
Es fühlt sich so natürlich an, dieses kalte Stück Metall in meinen warmen Händen. Oh, wie oft fällt mir der Griff zu dir, Monstrum der Kommunikation, nur allzu leicht. Ohne genau zu wissen, was ich mit dir vorhabe, streichen meine Finger mit sanften Bewegungen über deine Haut. Mit meinen Fingernkuppen penetriere ich deine Schaltkreise. In meinen Handflächen gleitet deine geschmeidige Hülle hin und her. Deine Signale und Töne lösen Feuerwerke in meinen neuronalen Netzen aus. Oh Smartphone, du teuflischer Liebhaber! Nur allzu oft verwünsch ich dich. Und trotzdem komme ich wohl nie von dir los. Zu natürlich fühlst du dich - du toxische Droge des Glückes - an meiner Seite an. Gedanken im Nachgang zur «Krawallnacht» in St.Gallen Ihr sprecht von einer Gewaltnacht. Ihr sprecht von jugendlichen Krawallmachern. Ihr sagt, wir sollen Mass halten. Ich sage – ganz ehrlich, was habt ihr erwartet? In St.Gallen fühlte ich mich immer sicher im Ausgang. Nachts lief ich noch kilometerweise nach Hause, ohne mir Gedanken zu machen. Nun fühle ich mich schon am Bahnhof beim Warten auf den Bus nicht mehr wohl. Es liegt eine nie dagewesene Stimmung der Aggressivität in der Luft. Ich höre von Leuten, die am frühen Abend mit einer Flasche angegriffen werden, einfach so? Nein, eben nicht.
Wenn ich ältere Leute im ÖV sehe, die wieder einmal ihre Maske unbekümmert unter der Nase tragen, fühle ich sie - diese bleierne Last auf der Brust. Es ist ein dumpfes Gefühl. Die Energie wütend zu sein, bringe ich schon lange nicht mehr auf. Dieses dumpfe Gefühl in mir kenne ich aber schon länger. Es drückt mich nieder, wenn ich daran denke, wie leichtfertig gewisse Leute mit der Klimakrise umgehen. Hauptsache, sich über etwas Plastik nach einer Party aufregen, aber dreimal Mal im Jahr in die Ferien fliegen, täglich mit dem SUV zur Arbeit pendeln und wie selbstverständlich Fleisch in rohen Mengen konsumieren. Aber der Klimawandel wird bestimmt durch eine liegengebliebene Plastikflasche auf dem Boden verursacht, sagen sie. Dieses dumpfe Gefühl macht mich ohnmächtig. An guten Tagen lenke ich mich mit Arbeit ab. An schlechten Tagen möchte ich das Bett nicht verlassen und liegenbleiben. Aber aus Pflichtgefühl stehe ich auf. Pflicht, wem gegenüber eigentlich? Und manchmal glaube ich, dass die Last auf meiner Brust mich ganz erdrückt. Dann überkommt mich das Bedürfnis ein Ventil zu finden. Mehr als einmal sass ich dann mit einer Klinge in der Hand auf dem Küchenboden. Wollte ein Loch mit der Klinge in meine Haut bohren und das Gefühl entweichen lassen. Bis jetzt habe ich die Klinge nie angesetzt, doch wer weiss, wie sich die Last auf meiner Brust noch vergrössern wird. Jeder sucht nun seine eigenen Ventile. Für die einen ist es die Wut. Nicht wenige in meinem Umfeld haben sich nun komplett von der Politik abgewandt. Was viele Medien nun herschreiben, dass das Klima und Corona die Jungen politisiert haben, ist nur verkürzt dargestellt. Ja, wir haben uns politisch informiert. Und dann gemerkt, dass sich keiner für uns interessiert. Die Themen, die unsere Existenz bedrohen, scheinen in weite Ferne gerückt. Es geht nun darum, Solidarität zu bekunden mit den Alten, die besonders von Corona bedroht sind. Dass wir ganz allein für die Schäden aufkommen, welche die ausschweifende Lebensweise der früheren Generationen mit unserem Klima angestellt haben, scheint niemanden ernsthaft zu bedrücken. Dass wir vor einmal vor dem Scherbenhaufen einer kaputten AHV stehen dürfen, wird zwar immer wieder thematisiert, aber eine Lösung für das Problem scheint niemand ernsthaft zu suchen. Ja, Altersarmut gibt es bestimmt und ich bin auch dafür die Betroffenen zu unterstützen. Was ich aber momentan sehe, sind Seniorinnen und Senioren, die auch jetzt schon wieder unbekümmert gruppenausweise auf Ausflüge gehen, die Öffnung der Sonnenterassen fordern und schon bald ihre geplante Weinreise an die Côte D’Azur antreten wollen. Und ihr erlaubt uns nicht, wütend zu sein? Ich bin selbst politisch engagiert. Oft weiss ich nicht einmal wieso. Politisch propagiere ich eine grüne Wende, engagiere mich für die Begrünung von Städten und fordere eine Flugabgabe. Persönlich glaube ich, dass es schon lange zu spät ist für einen solchen Wandel. Der Konsum und die Gier der Menschheit hat unsere Natur kaputt gemacht, und da ich weit und breit niemanden sehe, der bereit ist für einen radikalen Wandel dieser Lebensweise, glaube ich auch nicht mehr an ein Wunder. Trotzdem renne ich politisch weiter gegen dieses Problem an. Ich verstehe jeden, der das nicht mehr kann. Und auch bei mir mindert das politische Engagement den Druck auf meiner Brust nicht. Im Gegenteil, je mehr ich über unsere Situation weiss, desto ohnmächtiger bin ich diesem Gefühl ausgeliefert. Manchmal möchte ich auch durch die Strassen laufen. Dinge kaputt treten, Leute anschreien und Scheiben einschlagen. Aber nein, Gewalt ist ja keine Lösung. Lieber tue ich mir selbst was an, so dass niemand anders zu Schaden kommt. Bei den einen richtet sich die Gewalt halt nach aussen und bei den anderen entweicht der Druck gegen innen. Doch eines haben wir alle gemeinsam. Der Elefant auf unserer Brust wird nicht leichter werden. Irgendwann wird der Druck auf uns überhand nehmen. In welche Richtung er entweichen wird, ist noch unklar. Aber eines ist sicher. Der Druck wird nicht leise entweichen, sondern mit einem gewaltigen Knall. St. Gallen war nur der Anfang. Bild: A Descent into Maelström, Illustration von Harry Clarke Kapitel 1: 4 Tage wilder Osten
Wir Schweizer und besonders wir Ostschweizer sind ja nicht besonders bekannt dafür, Meister der Ekstase zu sein. Doch dies gilt nicht für die 4 Tage im Jahr, an denen alles erlaubt ist. Und nein, ich spreche nicht von der Fasnacht, die ist eh nur was für Landeier. Ich spreche von den 4 Tagen im Jahr an denen von Eschlikon bis Mels alles an die Sitter pilgert. Die 4 Tage, an denen der sonst so verklemmte Ostschweizer so richtig die Sau rauslassen kann. Manchmal wagen sich sogar ein paar verwegene Zürcher Nachteulen und Berner Bären in den wilden Osten. Wer jetzt noch nicht weiss, von welchem Event ich spreche, dem ist wohl nicht mehr zu helfen. Das OpenAir St.Gallen ist 4 Tage Ekstase und das in einer Stadt, in der es sonst das höchste der Gesetzeslosigkeit ist, eine Bratwurst mit Senf zu essen. Dieses Jahr werden sich jedoch mehr Hasen und Füchse miteinander im Sittertobel vergnügen als NachtschwärmerInnen aus der ganzen Schweiz. Immerhin die Fische in unserem Stadtflüsschen freuts, können Sie dieses Jahr doch ungestört in einen sauberen Fluss ablaichen. Die Folgen für die Moral der Bevölkerung sind jedoch nicht vorhersehbar. Vom finanziellen Schaden der allseits bekannten Brauerei Schützengarten ganz abzusehen. Wohin soll nun der Frust, der sich bei den Ostschweizern im täglichen Pendelverkehr rund um den Bahnhof St.Gallen, über der verlorenen Meisterschaft des Herzensvereins und über die Absage der geplanten Osterferien in sonnigeren Gefilden, angestaut hat? Den Absage von sekundären Headliners wie Twenty One Pilots oder Patent Ochsner könnte man ja noch verschmerzen, aber wer ersetzt einem die Momente, in denen man nach dem dritten Bier mittags um 1 einem Fremden, den man erst seit einer Stunde kennt, sein Herz ausschüttet. Die Freunde, wenn man mitten im Konzertgetümmel seine Freunde wiederfindet. Die Spannung, in welchem Zelt man am nächsten Morgen wieder aufwachen wird. Den Biss in die allerbeste Pizza der Welt nach einem durchtanzten Tag. Ja, man beginnt langsam sogar schon die plumpen Anmachsprüche übermütiger junger Männer im Gedränge zwischen Bühnen, Ständen und Zelten zu vermissen. Das OpenAir ist Freiheit, Lebenslust und gute Stimmung kondensiert auf eine Stadt, ein Tal, eine Wiese. Ein Moment in dem der Puls der St. Galler, Appenzeller und Thurgauer für einen Moment in einem Takt schlägt. Das Ostschweizer Herz blutet, denn ein Sommer ohne OASG ist nur eine Farce. 2020 ist ein Jahr ohne Sommer. «Jo z’sangalle Schneit’s schins, me seits, s ganz Johr… Wieso schneits do?» Dachs RIP OASG 2020 i bi müed vu all dem rusch
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